Die Waterberglüge
Wer Geschichte, wer das Denken und Wirken geschichtlicher Personen verstehen will, muß deren Zeit betrachten sowie die Situationen, in welche sie gestellt wurden. Das Anlegen heutiger zeitgeistiger Maßstäbe führt in aller Regel zu Fehldeutungen.
Nehmen wir die “Schlacht am Waterberg”: Gängige Geschichtsinterpretation im Jahre 2004: General von Trotha, Vernichter des Hererovolkes, erhält eben dafür vom Deutschen Kaiser Wilhelm II. den Orden Pour-le-Merite!
Der Kaiser billigt einen Völkermord! So einfach ist die Sache, wenn man an der Oberfläche journalistisch aufbereiteter “Geschichte” bleibt. Wer bequeme Klischees dem kritischen Denken vorzieht, sollte jetzt nicht weiterlesen.
Wie sah es 1904 in Deutsch-Südwestafrika aus?
Der Aufstand eines großen Teils - nicht aller - Herero am 12. Januar 1904 richtete sich zunächst nicht etwa gegen die bewaffnete Schutztruppe als der deutschen Ordnungsmacht, sondern hinterhältigerweise gegen nahezu wehrlose Zivilisten. Innerhalb weniger Tage wurden 123 Farmer, Handwerker und Kaufleute auf grausame Weise ermordet, dazu fünf Frauen - acht weitere Frauen werden mißhandelt und schwer verwundet. Die schwache deutsche Schutztruppe hatte alle Hände voll zu tun, um die weiße Bevölkerung in den größeren Orten in vorläufige Sicherheit zu bringen und sich auf die Verteidigung einzurichten. Endgültige Hilfe konnte nur aus dem Reich kommen.
Am 9. Februar landete ein vorläufiges Marineexpeditionskorps mit 600 Mann in Swakopmund und stieß gegen das belagerte Windhuk vor. Am 11. Juni endlich landete der vom Großen Generalstab mit der Führung der militärischen Operationen beauftragte General Lothar von Trotha in Swakopmund und übernahm als ranghöchster Offizier den Oberbefehl. General von Trotha hatte bereits in Ostafrika und in China Erfahrungen gesammelt. Er wußte, daß die Regeln (relativ) zivilisierter europäischer Kriege hier unbekannt waren. Solange die militärische Widerstandskraft des Gegners nicht nachhaltig gebrochen war, konnte es keinen Frieden geben.
Nach Landung der deutschen Truppen hatte sich die Masse der Herero langsam zum Waterberg zurückgezogen, ihre bisher zäh behaupteten Stellungen aufgebend. Dort, am Waterberg, hatten sie auf einer Breite von ca. 40 km! neue Stellungen eingerichtet. Bewaffnet waren sie überwiegend mit geschmuggelten modernen englischen Gewehren, zahlenmäßig der meist afrika-unerfahrenen deutschen Truppe um ein Vielfaches überlegen. Die Behauptung, mit Schild und Speer bewaffnete Herero hätten verzweifelt gegen die überlegene von Blutdurst getriebene deutsche Militärmaschinerie um ihr Leben kämpfen müssen, ist eine politische Erfindung.
Ihre Kapitäne hatten noch einen Trumpf im Ärmel, von dem die Deutschen nichts ahnten: die britische Zusage eines Asyls im britischen Betschuanaland (heute Botswana), falls der Aufstand fehlschlagen sollte. Insoweit war die Stellung am Waterberg strategisch günstig. Der Fluchtweg durch die Omaheke nach Betschuanaland war den Herero seit altersher als Handelsweg bekannt, außerdem wußten sie daß es den Deutschen schwer fallen würde, so weit im Norden größere Truppeneinheiten per Ochsenwagen mit Nachschub zu versorgen.
Als am 11. August der deutsche Angriff erfolgte, in mehreren räumlich und damit nachrichtenmäßig isolierten Abteilungen, die sich teilweise auch noch verlaufen hatten, entwickelten sich mörderische Einzelgefechte im dichten Dornbusch. Der Zorn der deutschen Soldaten wurde auch dadurch angefacht, daß die Herero einschließlich deren Frauen Gefangene zu Tode folterten und die Leichen auch noch zur Schau stellten. Trotzdem sind von deutscher Seite so gut wie keine Übergriffe gegen Unbewaffnete vorgekommen. Derartige Behauptungen sind erlogen.
Obwohl der Kampf bis zum Abend unentschieden blieb, traten die Herero in der Nacht überstürzt ihre geplante, aber wohl schlecht vorbereitete Flucht an. Dabei trieben sie teilweise die Rinder vor sich her, um einen Weg durch den Dornbusch zu bahnen, doch die durstigen Rinder verwandelten die wenigen Wasserstellen des Sandveldes in stinkende Schlammlöcher. Viele Menschen starben durch diese Dummheit. Oberhäuptling Samuel Maharero allerdings, der sich mit seiner Sippe (beispielgebend?) schon rechtzeitig abgesetzt hatte, kam ziemlich wohlbehalten in Betschuanaland an.
An eine ernsthafte Verfolgung durch die abgekämpfte und durch Krankheiten (Typhus) geschwächte Truppe war nicht zu denken. Im Gegenteil: Es war kein europäischer Krieg mit überschaubaren Truppenbewegungen! Noch immer trieben sich in der Umgebung bewaffnete Hererogruppen herum, z.T. bis in das Khomashochland. Eine tödliche Gefahr für die Truppe!
In dieser Situation erließ General von Trotha den fälschlicherweise “Vernichtungsbefehl” genannten drohenden Aufruf an die Herero. Er war in der Substanz nichts anderes, als ein Akt psychologischer Kriegführung, Einschüchterung der entkommenen Herero. Aber auch für Berlin gedacht, da die deutsche Planung, die Einkreisung, Überwältigung und Entwaffnung der Herero vorsah, mißglückt war. Einem Feind erteilt man keine Befehle! Doch einen Befehl an die Schutztruppe gab es tatsächlich. Nach Bekanntgabe des Aufrufes an die Herero erhielt die Schutztruppe den Befehl, nur auf Bewaffnete (Partisanen) zu schießen und daß Frauen und Kinder zu schonen seien. Doch das wird von den Medien in aller Regel nicht erwähnt, da es die Genozidthese eben nicht stützt!
Daß der für heutige Begriffe theatralische Aufruf an die Herero konkret wenig Substanz hatte, erhellt allein die Tatsache, daß mit den wenigen noch verbliebenen einsatzfähigen Kräften eine mehrere hundert Kilometer lange Grenze abzuriegeln völlig unmöglich war. Daß aber die Befürchtungen des Generals von Trotha nicht aus der Luft gegriffen waren, zeigt folgende Tatsache: Viele Herero hatten sich seitwärts in die Büsche geschlagen. Marodierende Banden zogen durch das Land. Noch im Dezember 1905, General von Trotha hatte das Land bereits verlassen, erließ der neue Gouverneur von Lindequist einen Aufruf an die Herero sich zu ergeben. Zur allgemeinen Überraschung stellten sich rund 20.000! abgemagerte Herero einschließlich Frauen und Kinder und gaben ihre Waffen ab. Sie erhielten Kost und Unterkunft und wurden auf Farmen sowie beim Bau der Otavibahn eingesetzt.
Endlich kehrte Friede ein.
Auf Seiten der Deutschen hatte auch eine Namatruppe (Hottentotten) gekämpft. Nach dem Kampf am Waterberg bereits waren etwa 20 dieser Kombattanten fortgelaufen und verbreiteten im Süden, daß die Deutschen mit den erfolgreich ausgebrochenen Herero doch nicht fertig würden. Auch von anderer Seite (Morenga) wurden die Namas aufgehetzt. Im Oktober 1904 erhoben sich die Witboois und ermordeten alle Weißen in ihren Gebiet. Andere Namastämme folgten. Wieder mußte General von Trotha eingreifen. In zähen Kämpfen wurde der Aufstand niedergeschlagen. Die Kämpfe dauerten letztlich bis zum Oktober 1906. Dabei wurde der einzige Sohn des Generals, der Oberleutnat von Trotha, der mit einem Friedensangebot seines Vaters zu den Bethaniern unter Cornelius gesandt worden war, von einem Unterkapitän hinterrücks erschossen.
Am 19. November 1905 trat General von Trotha die Heimreise von Lüderitz nach Deutschland an. Sein einziger Sohn war ermordet worden, bald darauf war auch seine Frau verstorben. Er schied mit den Worten: “Ich habe in diesem Lande alles verloren, was mir im Leben lieb war!”
Das sind als kurze Übersicht die Fakten. Zahllose verzerrte Medienberichte und Politikerreden haben uns bewogen, diese zusammenzustellen. Es geht nicht um Schuldzuweisungen, sondern um den Versuch einer sachgerechten Darstellung. Daß von beiden Seiten - auch aufgrund kulturell bedingter Mißverständnisse - im Vorfeld Fehler gemacht wurden, ist ein anderes Kapitel. Darüber hinaus sind die Konflikte auch von auswärtigen Interessengruppen kräftig geschürt worden. Mit einem Genozid, einem Holocaust-Vorläufer, hat das alles nichts zu tun. Viele Medienberichte, auch öffentlich geförderte Ausstellungen zeigen in erschreckender Weise, wie mit der Geschichte umgegangen wird, wenn man vom Land und seiner Geschichte keine Ahnung hat, gar vielleicht aus politischen oder religiösen Gründen sein Süppchen kochen will.
Dipl.-Ing. Ralph Schroeder im Juni 2004
Am Waterberg